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Ich bin ein Mann, holt mich hier raus

Allein bei einem Frauenmagazin - Roman
ISBN/EAN: 9783453405707
Umbreit-Nr.: 1304412

Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format in cm: 2 x 18.7 x 11.8
Einband: kartoniertes Buch

Erschienen am 02.06.2009
€ 8,95
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Ein erschütternder Blick in die Modewelt und die Abgründe der weiblichen Seele, schonungslos offen und hinreißend komisch! Sein neuer Job bei einem Frauenmagazin stellt Christian Gottwalt vor unvorhersehbare Schwierigkeiten: Sicher, die Namen seiner 33 reizenden Kolleginnen wird er sich bald merken können, bei Redaktionskonferenzen zu so intimen Themen wie Brazilian Waxing bleibt er inzwischen relativ entspannt, und vielleicht kann er irgendwann sogar die Paddington von Chloé von einer Kelly Bag unterscheiden. Aber auf der Behandlungsliege einer Kosmetikerin, bei seiner ersten Gesichtsmaske, packt ihn eine schreckliche Gewissheit: Er reift zur Frau.
  • Autorenportrait
    • Christian Gottwalt, 1968 in Mellrichstadt in Unterfranken geboren, studierte Volkswirtschaft in Würzburg und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Danach arbeitete er zehn Jahre lang als Redakteur beim "Süddeutsche Zeitung Magazin", wo e
  • Leseprobe
    • Alles ist weiß. Die Bodenkacheln, das Resopal der Wände, die Verschalung der Decke. Ich sitze auf dem Klo und konzentriere mich auf meinen Atem. Am Fluss des Atems kann man ja so viel ablesen: Manchmal strömt er gemächlich und ruhig wie der Rhein, manchmal rauscht er wild wie die Isar bei Hochwasser. Im Moment erinnert er an einen Sturzbach, der im Gebirge zu Tale fällt. Aber das wird schon wieder. Leider ist die Kabine viel zu eng, um ordentlich zu meditieren. Auf dem Klodeckel kann man nicht vernünftig sitzen, weil eine Schraube fehlt. Der Schneidersitz scheidet also aus. Macht aber nichts. Ich stelle beide Füße parallel auf den Boden, achte darauf, dass Ober- und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden und versuche, den Rücken gerade zu halten. Die Arme leicht angewinkelt, die Handrücken auf den Knien. Drei Finger bleiben ausgestreckt, Daumen und Zeigefinger bilden einen Kreis. Das soll die Energie im Körper halten, sagen die Yogis. Aber da braucht man nicht dran glauben, wichtig ist nur, dass man drauf achtet, wie alles am Körper so liegt und steht und sitzt. Bis zum Flur sind es drei geschlossene Türen, die beinahe alle Geräusche von draußen abfangen. In die Kabine dringt nur das leise Surren einer Klimaanlage und das dezente Plätschern von Wasser. Mit geschlossenen Augen und ein wenig Fantasie klingt es wie bei einem dieser schicken Brunnen in den Wellnessbereichen teurer Hotels. Einer der beiden Pinkelpötte ist kaputt. Er gluckert leise vor sich hin, bei Tag und bei Nacht. Wie schön. Wäre ich ein Schriftsteller, könnte ich vielleicht das Gefühl der Ruhe, das jetzt einsetzt, so beschreiben, dass man es als Leser nachempfinden kann. Doch ich bin keiner, ich bin bloß ein Journalist, genau genommen ein Exjournalist, denn wenn mich heute jemand fragt, was ich denn beruflich so mache, antworte ich ihm, dass ich Werbetexte im Bereich Kosmetik schreibe. Eine Kollegin, die Dinge ganz gut auf den Punkt bringen kann, formulierte einmal: Du betreibst Textkosmetik an Kosmetiktexten. Ich finde, das trifft es ziemlich genau. Die Idee, mich manchmal aufs Herrenklo zu verkriechen, kam mir vor einigen Wochen. Ich saß gerade in der Kabine und blätterte im Stern herum, da flog plötzlich die Tür auf. Jemand rannte durch den Raum, stürmte in die Nachbarkabine und atmete schwer. Dann ein Stöhnen und ein Schimpfen, aber so genuschelt, dass es nicht zu verstehen war. Der Klodeckel wurde nach unten geklappt und mit einem Ächzen stieg jemand auf ihn drauf. Dann wurde es ruhig. Die Person in der Nachbarkabine hielt ihren Atem an. Ich ebenso. Ich traute mich nicht mal mehr, umzublättern. Draußen, vor der äußersten Tür, wurde es laut. Schritte waren zu hören und Schreie auf dem Flur. "Luzius! Luuuz-jus! Verdammt, wo ist der jetzt schon wieder hin?" Die Stimme, die da rief, war die von Victoria, meiner Chefin. Sie suchte ihren fünfjährigen Sohn, und ihrem Tonfall war zu entnehmen: Das war keines der üblichen Versteckspiele, bei denen die Mutter so tut, als wüsste sie nicht, wo ihr Kind steckt. Das war Ernst. Irgendwann öffnete Vicky die äußere Tür der Herrentoilette einen Spalt und rief "Luzius" in den Vorraum. Dann, nach hinten gewandt: "Penelope, ist er etwa da drin?" In diesem Augenblick wurde mir klar: Vicky traute sich nicht herein! Keinen Schritt, nicht einmal in einem mütterlichen Notfall wie diesem! Und Penelope, ihr peruanisches Kindermädchen, konnte sie auch nicht hineinschicken. Nicht in die Herrentoilette! Überhaupt konnte sie niemanden schicken, denn der einzige Mann, der sich außer mir normalerweise noch auf dem ganzen Stockwerk befand, war gerade in Urlaub. Genau da begriff ich, dass ich als Mann auf der Herrentoilette sicher war vor all den Frauen da draußen. Absolut sicher. Die Herrentoilette der Redaktion eines Frauenmagazins ist für Männer eine Art Schutzzone. Und diese Erkenntnis verdanke ich einem vorlauten, frechen Fünfjährigen. Mit geschlossenen Augen falle ich fünf Minuten lang ins Nichts. Die Gedanken werden leis