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'Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!'

Verkehrspolitik in Bayern zwischen Wiederaufbau und Ölkrise, Beiträge zur Historischen Verkehrsforschung des Deutschen Museums 7
ISBN/EAN: 9783593378619
Umbreit-Nr.: 1520193

Sprache: Deutsch
Umfang: 328 S.
Format in cm:
Einband: Paperback

Erschienen am 12.09.2005
Auflage: 1/2005
€ 42,00
(inklusive MwSt.)
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  • Zusatztext
    • Als in den 1950er Jahren die Massenmotorisierung in Deutschland einsetzte, folgte die Verkehrspolitik zunächst keiner übergreifenden Planung. Bund, Länder und Gemeinden kämpften um die Priorität für die von ihnen betreuten Straßen. Diese Konflikte und die daraus resultierende Politik und Praxis analysiert Alexander Gall am Beispiel des ländlichen Bayerns. Neben der Angebotsseite untersucht er mit den Berufspendlern auch die Nachfrageseite und erschließt damit den Wandel des Dorfes von einer autarken Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zur Wohngemeinde.
  • Autorenportrait
    • Alexander Gall, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Technik- und Wissenschaftsgeschichte des Deutschen Museums.
  • Schlagzeile
    • Historische Verkehrsforschung Hg. von HansLiudger Dienel, Christopher Kopper und Helmut Trischler
  • Leseprobe
    • Die erste Reise des ersten bundesdeutschen Verkehrsministers führte im Januar 1950 in das niederbayerische Grenzland. Anlaß waren die dort besonders spürbaren Probleme der politischen Teilung Deutschlands, die die wichtigsten Verkehrs- und Handelsverbindungen dieses Gebietes durchtrennt hatte. Auf seiner Fahrt wurde Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm mit vielfältigen Wünschen konfrontiert, die nicht nur eine Senkung der Gütertarife oder der Ausbesserung von Straßen erreichen wollten, sondern vor allem das Ziel hatten, die vorhandenen Nebenbahnen miteinander zu verbinden.1 Diese Pläne gingen jedoch bald in der Motorisierungswelle der fünfziger Jahre unter. Während sich den jüngsten Prognosen zufolge am anhaltenden Wachstum des Automobilverkehrs wohl auch in Zukunft wenig ändern wird, soll der ohnehin geringe Anteil des regionalen Eisenbahnverkehrs außerhalb der bayerischen Ballungszentren in den kommenden Jahren sogar noch weiter abnehmen.2 Die Muster für den tiefgreifenden Mobilitätswandel, den die Bundesrepublik seit Seebohms Grenzlandreise erlebt hat, wurden in den fünfziger und sechziger Jahren geprägt und wirken offenbar ungebrochen fort. So mußten sich in Bayern - statistisch betrachtet - im Jahr 1950 noch etwa 100 Einwohner einen Pkw teilen, etwa 30 Jahre später hätten bereits die Vorder- und Rücksitze der vorhandenen Personenwagen ausgereicht, um die gesamte bayerische Bevölkerung gleichzeitig zu transportieren, und seit Mitte der neunziger Jahre könnten alle Bayern zur selben Zeit bequem auf den Vordersitzen der zugelassenen Autos Platz nehmen.3 Schon daraus läßt sich leicht auf die geradezu umwälzenden Veränderungen schließen, die damit in Verbindung stehen. Sie sind bisher aber nur in Ansätzen erforscht und verstanden. Angesichts der immensen Zunahme des motorisierten Straßenverkehrs glaubten die Zeitgenossen vielfach einer Art Naturereignis gegenüberzustehen, das als 'Motorisierungsflut' mit einer technisch-ökonomischen Eigengesetzlichkeit über sie hereinzubrechen schien.4 Ein solches Szenario ließ freilich der Verkehrspolitik keinen eigenständigen Handlungsspielraum mehr, sondern beschränkte sie auf die Rolle eines mehr oder weniger effektiven Erfüllungsgehilfen. Diese Vorstellung entsprach nicht nur recht genau der Auffassung mancher Lobbyisten, sondern prägte auch lange die historische Erinnerung an die beiden ersten Jahrzehnte der bundesdeutschen Verkehrspolitik.5 Erst als die Debatte um das 'Waldsterben' die Aufmerksamkeit auf die vom Straßenverkehr ausgehenden Umweltbelastungen lenkte, stellte sich erneut die Frage nach der verkehrspolitischen Verantwortung für die Massenmotorisierung und ihren Bedingungen. Daran schließt die vorliegende Studie an. Sie befaßt sich am Beispiel Bayerns mit dem Ausbau der Straßen während der fünfziger und sechziger Jahre, der - auch im Wortsinn - die Grundlagen für den tiefgreifenden Mobilitätswandel legte. Der Blick richtet sich vor allem auf den ländlichen Raum, reicht dabei von der Autobahn bis zu den Kommunalstraßen und schließt damit sämtliche Gebietskörperschaften vom Bund bis zur Gemeinde ein. Erst deren Verhältnis zueinander - so die im folgenden vertretene These - läßt die spezifischen Konturen der bundesdeutschen Verkehrsinfrastrukturpolitik hervortreten. Das wird auch, gleichsam als Kontrapunkt, am Beispiel der Nebenbahnen gezeigt, denen in dieser Phase vielfach die Stillegung drohte. Zweifellos kann der Ausbau einer so ausgedehnten Infrastruktur, wie sie das Straßennetz darstellt, nicht ohne weitreichende Folgen für die unterschiedlichsten Lebensbereiche bleiben. Um diese Entwicklungen wenigstens ein Stück weit zu erfassen, wird mit den Pendlern im ländlichen Raum eine Nutzergruppe untersucht, die gerade in Bayern während der Untersuchungsperiode stark expandierte.