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'Diess herrliche imponirende Instrument'

Die Orgel im Zeitalter Felix Mendelssohn Bartholdys, Mit CD, Beiträge zur Geschichte der Bach-Rezeption 3
ISBN/EAN: 9783765104411
Umbreit-Nr.: 1694188

Sprache: Deutsch
Umfang: 424 S.
Format in cm:
Einband: gebundenes Buch

Erschienen am 05.07.2011
€ 46,90
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  • Zusatztext
    • Die 19 Beiträge des Bandes sind der Ertrag einer Leipziger Tagung vom Oktober 2007. Sie nahm sich erstmals umfassend und aus europäischer Sicht der Bedeutung der Orgel im Zeitalter Mendelssohns an. Besonderer Wert wurde dabei auf das Zusammenwirken von Ästhetik, Gattungsgeschichte, Aufführungspraxis und Organologie gelegt. Als Beigabe enthält das Buch eine CD mit der Tonaufnahme des von Rudolf Lutz vollendeten Mendelssohn-Choralfragments O Haupt voll Blut und Wunden. In diesem klingenden Beitrag der Tagung verbinden sich wissenschaftliche Forschung und historisch reflektierte Praxis.
  • Kurztext
    • Hr. Musikdirektor Bach spielte eine von ihm selbst (etwas zu klaviermässig) gesetzte Toccata und ein Präludium nebst Fuge von Sebastian Bach auf der Orgel mit grosser Fertigkeit. In Berlin ist es etwas seltenes, dies herrliche, imponirende Instrument einmal concertirend gebraucht zu hören. Schade nur, daß die Zahl derer, die sich für das erhabenste aller Instrumente interessiren, sich fast nur auf einen kleinern Cirkel von Kunstkennern beschränkt. [.] Vor Einförmigkeit hatte sich der Concertgeber theils durch die ihn unterstützenden Männerchöre, theils durch die Verschiedenartigkeit der von ihm vorgetragenen Stücke, gesichert. Die beiden einleitenden Zitate - das erste die Rezension eines unter Mitwirkung August Wilhelm Bachs im April 1827 in der Berliner Garnisonkirche gegebenen Benefizkonzerts, das zweite der Bericht über ein Orgelkonzert des Virtuosen Ferdinand Vogel am 21. Oktober 1832 in der Paulinerkirche zu Leipzig1 - beleuchten trotz ihrer Kürze wesentliche Potentiale und Probleme des Orgelspiels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und deuten das aufführungspraktische und ästhetische Spannungsfeld an, in dem sich die Orgel in dieser Schlüsselperiode der Herausbildung des modernen Musiklebens befand. Einerseits mehr denn je als Ausdruck des "Erhabenen" angesehen und gerade in der Romantik von der Würde des Kirchenraums und dem Geheimnis des geistlichen Geschehens überstrahlt, sah sich die Orgel nach den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allenthalben bemerkbaren Transformationsprozessen in der kirchenmusikalischen Landschaft mit einem Bedeutungsverlust konfrontiert, der ihre Stellung im Musikleben ernsthaft gefährdete. Die Orgel blieb zwar als gottesdienstliches Begleitinstrument unangefochten, mit dem Ende des Generalbasszeitalters wurde sie jedoch vielerorts aus ihrer Leit- und Stützfunktion im Ensemble und damit aus der Normbesetzung von Figuralaufführungen und Oratoriendarbietungen verdrängt. Den aus der Sinfonik und Kammermusik der Zeit abgeleiteten Vorstellungen von einem dynamisch beweglichen und stufenlos farbigen Klang konnte die weithin als unflexibel oder gar "steinern" (Moritz Hauptmann) empfundene mechanische Pfeifenorgel kaum noch entsprechen. Neuartige liturgische Erwartungshaltungen und die vom Repertoire her gemischt zusammengesetzten Kirchenkonzerte ließen dem solistischen Orgelspiel überdies nur begrenzten Raum. Dazu fanden gerade ambitionierte Orgelvorträge regelmäßig nur das Interesse einer sehr begrenzten Zahl von Kennern und Kunstfreunden. Dieser veränderte Darbietungskontext und wohl auch ein verbreiteter Rückgang insbesondere der Pedaltechnik führten im Bereich der Orgelliteratur vielfach zu einem Verlust der idiomatischen Schreibweise und einer Angleichung an klaviergeprägte Klangideale und Spielgewohnheiten, was sich nicht nur in zahlreichen "leichten" Spielstücken, Bearbeitungen und Variationen ausdrückte, sondern auch an dem Umstand ablesen lässt, dass es sich bei einem Großteil der in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an der Orgel dargebotenen Bach-Werke um Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier handelte. Dennoch gehörten die Orgelmusik, der Organistenstand und der Orgelbau um und nach 1800 zu den Bereichen des Musiklebens, bei denen eine gewisse Kontinuität barocker Handwerks-, Gattungs-, Spiel- und Ausbildungstraditionen gegeben war. Vermittelt durch Schüler und Enkelschüler Bachs wie etwa Johann Christian Kittel und gestützt auf eine breite abschriftliche Verbreitung seiner Kompositionen blieben hier überdies Teile des orgelbezogenen Schaffens Bachs in einer Weise lebendig, die die lange Zeit gehegte Vorstellung einer raschen Abwendung von seiner Musik nach 1750 mehr und mehr fraglich erscheinen lässt. Welche Bedeutung die konstante Pflege Bachschen Repertoires und die nicht zuletzt mit der Tätigkeit Felix Mendelssohn Bartholdys verbundene Wiederaneignung zahlreicher Schlüsselwerke seines organistischen Oeuvres für die Entwicklung des Orgelspiels und
  • Leseprobe
    • Hr. Musikdirektor Bach spielte eine von ihm selbst (etwas zu klaviermässig) gesetzte Toccata und ein Präludium nebst Fuge von Sebastian Bach auf der Orgel mit grosser Fertigkeit. In Berlin ist es etwas seltenes, dies herrliche, imponirende Instrument einmal concertirend gebraucht zu hören. Schade nur, daß die Zahl derer, die sich für das erhabenste aller Instrumente interessiren, sich fast nur auf einen kleinern Cirkel von Kunstkennern beschränkt. [] Vor Einförmigkeit hatte sich der Concertgeber theils durch die ihn unterstützenden Männerchöre, theils durch die Verschiedenartigkeit der von ihm vorgetragenen Stücke, gesichert. Die beiden einleitenden Zitate - das erste die Rezension eines unter Mitwirkung August Wilhelm Bachs im April 1827 in der Berliner Garnisonkirche gegebenen Benefizkonzerts, das zweite der Bericht über ein Orgelkonzert des Virtuosen Ferdinand Vogel am 21. Oktober 1832 in der Paulinerkirche zu Leipzig1 - beleuchten trotz ihrer Kürze wesentliche Potentiale und Probleme des Orgelspiels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und deuten das aufführungspraktische und ästhetische Spannungsfeld an, in dem sich die Orgel in dieser Schlüsselperiode der Herausbildung des modernen Musiklebens befand. Einerseits mehr denn je als Ausdruck des Erhabenen angesehen und gerade in der Romantik von der Würde des Kirchenraums und dem Geheimnis des geistlichen Geschehens überstrahlt, sah sich die Orgel nach den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allenthalben bemerkbaren Transformationsprozessen in der kirchenmusikalischen Landschaft mit einem Bedeutungsverlust konfrontiert, der ihre Stellung im Musikleben ernsthaft gefährdete. Die Orgel blieb zwar als gottesdienstliches Begleitinstrument unangefochten, mit dem Ende des Generalbasszeitalters wurde sie jedoch vielerorts aus ihrer Leit- und Stützfunktion im Ensemble und damit aus der Normbesetzung von Figuralaufführungen und Oratoriendarbietungen verdrängt. Den aus der Sinfonik und Kammermusik der Zeit abgeleiteten Vorstellungen von einem dynamisch beweglichen und stufenlos farbigen Klang konnte die weithin als unflexibel oder gar steinern (Moritz Hauptmann) empfundene mechanische Pfeifenorgel kaum noch entsprechen. Neuartige liturgische Erwartungshaltungen und die vom Repertoire her gemischt zusammengesetzten Kirchenkonzerte ließen dem solistischen Orgelspiel überdies nur begrenzten Raum. Dazu fanden gerade ambitionierte Orgelvorträge regelmäßig nur das Interesse einer sehr begrenzten Zahl von Kennern und Kunstfreunden. Dieser veränderte Darbietungskontext und wohl auch ein verbreiteter Rückgang insbesondere der Pedaltechnik führten im Bereich der Orgelliteratur vielfach zu einem Verlust der idiomatischen Schreibweise und einer Angleichung an klaviergeprägte Klangideale und Spielgewohnheiten, was sich nicht nur in zahlreichen leichten Spielstücken, Bearbeitungen und Variationen ausdrückte, sondern auch an dem Umstand ablesen lässt, dass es sich bei einem Großteil der in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an der Orgel dargebotenen Bach-Werke um Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier handelte. Dennoch gehörten die Orgelmusik, der Organistenstand und der Orgelbau um und nach 1800 zu den Bereichen des Musiklebens, bei denen eine gewisse Kontinuität barocker Handwerks-, Gattungs-, Spiel- und Ausbildungstraditionen gegeben war. Vermittelt durch Schüler und Enkelschüler Bachs wie etwa Johann Christian Kittel und gestützt auf eine breite abschriftliche Verbreitung seiner Kompositionen blieben hier überdies Teile des orgelbezogenen Schaffens Bachs in einer Weise lebendig, die die lange Zeit gehegte Vorstellung einer raschen Abwendung von seiner Musik nach 1750 mehr und mehr fraglich erscheinen lässt. Welche Bedeutung die konstante Pflege Bachschen Repertoires und die nicht zuletzt mit der Tätigkeit Felix Mendelssohn Bartholdys verbundene Wiederaneignung zahlreicher Schlüsselwerke seines organistischen Oeuvres für die Entwicklung des Orgelspiels und der Orgelkomposition nach 1800 hatte, bildet eines der zentralen Themen der diesem Zeitraum gewidmeten musikhistorischen und rezeptionsgeschichtlichen Forschungen. Die für die Epoche der musikalischen Romantik so essentielle Frage nach Kontinuität und Neuanfang ist daher sowohl an die Orgelmusik als auch an den Orgelbau und das Orgelspiel der Zeit zu richten. Die neunzehn Beiträge des vorliegenden Bandes sind der Ertrag einer im Oktober 2007 in Leipzig im Rahmen des Kooperationssprojekts Bach - Mendelssohn - Schumann der Leipziger Komponistenhäuser veranstalteten Tagung. Sie nehmen sich erstmals in umfassender Weise und mit dezidiert europäischer Perspektive der Bedeutung der Orgel im Zeitalter Felix Mendelssohn Bartholdys an. Dabei wurde besonderer Wert auf das Zusammenwirken ästhetischer und gattungsgeschichtlicher wie auch aufführungspraktischer und organologischer Zugänge gelegt. Ein erster Themenblock beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Klanggestalt und Ästhetik und versucht dabei, die Stellung der Orgel im musikalischen Denken und praktischen Musikleben der Romantik zu bestimmen. Während Arnfried Edler in seiner Robert Schumann gewidmeten Betrachtung die Bedeutung der Orgel für einen der großen Komponisten und Musikpublizisten der Zeit rekonstruiert, widmet sich Burkhard Meischein dem Einfluss veränderter liturgischer und theologischer Anschauungen auf das zeitgenössische Verständnis vom angemessenen Orgelklang. Kristian Wegscheider identifiziert in den Instrumenten von Carl August Buchholz ein noch immer wenig bekanntes, dabei jedoch gerade für die Orgelmusik der Generation Mendelssohns typisches Klangideal, wobei anhand des von Buchholz vorgenommenen Umbaus der Stellwagenorgel in St. Marien zu Stralsund zugleich frühe Restaurierungskonzepte vorgestellt werden - die Frage des Historismus erhält hier also eine organologische Dimension. Vier Beiträge widmen sich einzelnen Strängen, Problemen und Paradigmen der Orgelkomposition nach Bach. Uwe Wolf stellt mit seinem kommentierten Katalog der choralgebundenen Orgelwerke von Gottfried August Homilius das Schaffen eines der einflussreichsten Komponisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Diskussion. Jean-Claude Zehnder widmet sich im Spannungsfeld von Philosophie, Ästhetik und Spieltechnik rhythmischen Problemen der Orgelmusik zwischen 1700 und 1900. Peter Wollny charakterisiert in seiner Beschäftigung mit der Orgelmusik Felix Mendelssohn Bartholdys dessen Bach-Rezeption als Resultat einer umfassenden Werkkenntnis und gattungsübergreifenden Synthese von Anregungen, die weit über den Einbau und die Übernahme einzelner Zitate und Modelle hinausreicht. Rudolf Lutz demonstriert anhand seiner Vervollständigung von Mendelssohns Oxforder Choralfragment O Haupt voll Blut und Wunden die noch immer unterschätzten Potentiale einer improvisationsbasierten Annäherung an Mendelssohns organistische Tonsprache. Mendelssohns praktischer Erfahrungshorizont als Organist und Bach-Spieler sowie seine Bedeutung für die Orgelwelt seiner Zeit ist Schwerpunkt einer dritten Gruppe von Aufsätzen. Nicholas Thistlethwaite gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die englischen Orgeln der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und arbeitet damit sowohl die genaueren Umstände von Mendelssohns Orgeldarbietungen in England als auch dessen nachhaltigen Einfluss auf die Weiterentwicklung des englischen Orgelbaus heraus. Wm. A. Little untersucht in seiner Fallstudie zu Mendelssohns Orgelrecitals in Birmingham 1837 und 1840 einen bisher wenig bekannten Teil von Mendelssohns englischen Konzertreisen. Markus Zepf legt eine von Mendelssohns eigenen Orgelentdeckungen inspirierte Untersuchung der Instrumententypen und der im Wandel befindlichen organistischen Klangideale im süddeutschen Raum vor. Russell Stinson geht unter Bezugnahme auf das berühmte Leipziger Orgelkonzert vom August 1840 der Ausstrahlung von Mendelssohns Bach-Spiel auf die Repertoirebildung und Bach-Rezeption der Organisten seiner Zeit na...